A Kiwara is ka Hawara

Was sie in ihrem Deutschkurs nie gelernt haben, aber unbedingt verstehen sollten. Oder: Wie Sie auch als nicht-Wiener*in im Sprach-Gewurschtel überleben.
Ein kleiner Sprach-Führer durch die wichtigsten Ausdrücke des Wiener Sprach-Dschungels.

Stellen Sie sich vor, Sie lernen Deutsch. Als Fremdsprache meine ich. Sie kommen nach – beispielsweise Wien – und besuchen einen Deutschkurs.

Heute ging es um das Kapitel Präpositionen (A2)

hinten, vorne, oben, unten, über, unter, neben, zwischen, an, auf, in, vor, für, gegen, ohne, entlang……

Alles gut erklärt, mitgeschrieben, soweit alles klar.

Dann allerdings verlassen Sie das Biotop Deutschkurs und gehen in die reale Welt hinaus. Sie haben ja schon einige Lektionen Deutschkurs hinter sich, kein Problem mit der Verständigung also. Denken SIE.

Aber: Wien ist anders als andere Großstädte, deren jeweilige Landessprache Sie vor Ort lernen und dann auch im Alltag verwenden, üben und ausprobieren können.

Das Gfrett mit dem Dialekt

In Wien müssen Sie genau genommen zwei Sprachen lernen. Neben Deutsch auch den wiener Dialekt. Und das kann ganz schön irritieren. Dazu kommen auch noch einige Austriazismen, das sind Ausdrücke, die in Österreich einfach anders sind als in Deutschland.

Der Praxistest

Auf der Straße: Sie haben im Kurs bereits gelernt nach dem Weg zu fragen und wollen das gleich ausprobieren, aber was dann kommen kann, kann ganz schön „ausgefuxt“ sein.

Zum Beispiel: Do gengans do owe, a Stiggl neman Billada Pak, do gengans eine und daun do ume, und daun sans e glei do.

 Also, „owe“ ist nicht gleich „oben“, wie man auf Grund der ähnlichen Aussprache vermuten könnte. Vor gut zwei Stunden haben Sie das ja eigentlich mit Ihrer geschätzten Deutschlehrerin geübt!! Aber: ganz im Gegenteil! „Owe“ bedeutet „nach unten, hinunter“.

Also: man geht eine Straße hinunter.

Und jetzt wird es ganz schwierig, jetzt kommt das Wort „umi “ oder „ume“ (die Endung hat nichts mit der Verwendung unterschiedlicher Fälle zu tun, sondern eher mit regionalen Unterschieden!). Es bedeutet „hinüber“.

Dann hören Sie „aufe“ und denken sich: “Jetzt aber! Das kann doch nichts anderes als „auf” bedeuten!“ Falsch gedacht. Doch nach den schlechten Neuigkeiten kommen nun auch einigermaßen gute: Bei diesem Wort an „auf“ zu denken ist nicht ganz abwegig. Es bedeutet „nach oben“, was ja auch irgendwie mit „auf“ ist, der einzige Unterschied ist, dass es sich bei „aufe“ um eine dynamische Bewegung handelt. – Wenn’s weiter nix ist 😉

Wenn Sie das verstanden haben, und tatsächlich an Ihrem Ziel angekommen sind, super gmocht!! Sie sind schon einmal ganz gut unterwegs. Sie können natürlich, wenn Sie eh schon vorbeigehen, zum Billa „eini“ gehen, und „Paradeisa, Eadepfe und an Kafiui“ fürs Mittagessen und auch „Semmen und a Mamlad“ fürs Frühstück kaufen. Das Ganze in einem „Sackal“ nach Hause tragen und noch ein paar nette Worte mit dem nicht ganz so netten Nachbarn wechseln, der Ihnen erzählt, dass „des Trutschal“ aus dem 2. Stock „a Gschpusi“ mit dem „Kaspal“ vom 4. Stock hätte. Eine adäquate Antwort wäre jetzt „Na gengans! Wos ned sogn“. Sie als Anfänger*in begnügen sich allerdings mit einem erstauten Kopfschütteln und gehen weiter. Sie sind ja schließlich keine „Trotschn“. (Nicht zu verwechseln mit Trutschn! Da gibt es einen eklatanten Unterschied.)

Dann kommt auch noch ihr anderer Nachbar, Max, und ersucht Sie um Hilfe beim Aufhängen eines Bildes: „Oida, hüfst ma des Büd auf de Wond hänga? De is so buglad, des pack i ned ala…..“

Ok, „Wond“ ist klar, er hat ja auf die Wand gezeigt, aber „auf de Wond?“ Warum auf und nicht an?? Und was ist jetzt „buglad“??? Und „Oida“ ist ja eigentlich auch nicht sehr nett, also von alt kann ja wirklich keine Rede sein!

Als er dann noch meint, das Bild müsse „weida zuwi“ und nicht „zweit dauni“ könnte sich das Gefühl leichter Verzweiflung breitmachen. Also, „deschparat“ halt.

Kleines „i“ mit großer Wirkung

Doch eines nach dem anderen: „daun“ sollten Sie auf keinen Fall mit „dauni“ verwechseln. Ersteres bedeutet „dann, anschließend“, „daune“ jedoch „weg“ oder „auf die Seite, aus dem Weg“.

Zuwi“ hingegen das genaue Gegenteil, nämlich „zu etwas hin“, zum Beispiel eine Wand oder „nahe an etwas“.

Das einfache „zu“ hingegen drücken wir mir „zua“ aus. Also ohne Relation, einfach geschlossen. („Moch die dia zua, oder: „Dea is awa zua…“).

Jetzt haben Sie für heute aber wirklich genug Dialekt-Training hinter sich. Das Bild hängt endlich und Max, Kavalier der er ist, lädt Sie zu einem „Melausch“ und einem „Kipferl“, mit „Schlogowas“ natürlich, ein.

Der Tag ist gerettet, Sie gehen nach Hause und sehen sich nochmals  äußerst konzentriert Ihre Deutschkursunterlagen an. Vielleicht haben sie ja doch ein Kapitel übersehen…..

Also: Pfiad eich, bis boid.

Glossar mit Vokabelliste

Wienerisch (phonetische Schreibweise)Hochdeutsch/ Ursprungtatsächliche Bedeutung
Aein/eineunbestimmter Einheitsartikel
KiwaraPolizeibeamt*inPolizist*in
HawaraJiddisch: chawarimFreund
GwuaschtlGewurstelWirrwar, schier unauflösbares Durcheinander
GfrettGefrettschwer zu bewältigende Aufgabe, die negative Gefühle auslöst
gengansgehen SieAusdruck des Erstaunens wenn man soeben eine unglaublich spannende Information, z. B. über seine Nachbar*innen oder Arbeitskolleg*innen bekommen hat
na gengansNein gehen Sie1. Steigerungsstufe von „gengans“
kummkommkomm
kumm heakomm herKann durchaus auch bedrohlich gemeint sein (z.B. in einer Streitsituation)
na kummkomm näherkomm näher, du wirst schon sehen, oder: Ausdruck der Überraschung
Trutschal/TrutschnTussi (Nicht sehr schlimmes) Schimpfwort; meist für Frauen angewendet
GschpusiTechtelmechtelmeist heimliche Liebesbeziehung
TrotschnTratsch (Tratsch und Klatsch)Person, die gerne über andere Menschen herzieht oder Geheimnisse ausplaudert
wos ned sognwas Sie nicht sagenAusdruck höchsten Erstaunens
owehinunternach unten
a Sticklein Stückein kleines Stück
nemanneben demneben dem (oder auch: nehmen wir ihn; je nach Kontext)
gleigleichsofort
PakParkPark
einehineinhinein
daundanndann, danach, anschließend
ume/umihinüberhinüber, links, rechts
umadumherumum….herum
sanssind Siesind Sie, sing. Oder pl.
homshaben Siehaben Sie, sing. Oder pl.
dodada, hier, angekommen
aufehinaufhinauf
einihineinhinein
ParadeisaParadeisAustriazismus, Tomate
EadepfeErdäpfelAustriazismus, Kartoffel
KafiuiKarfiolAustriazismus, Blumenkohl
SemmenSemmelnAustriazismus, Brötchen
MamladMarmeladeAustriazismus, Konfitüre (oder: Brexit sei dank Marmelade)
SackalSäckchenAustriazismus, Tüte
deradiesediese + Dat.
mawirwir
BüdBildBild
OidaAltergenerelle Anrede für Mitmenschen, m.
bugladbuckligkrumm
des pack i neddas packe ich nichtdas kann ich nicht bewältigen
alaalleinalleine
weidaweiterweiter
zuwe, zuwinahe an etwas oder jemanden
daune/dauniweiter weg
deschparatdesparatniedergeschlagen
zuazugeschlossen
MelauschMelangeWiener Kaffeespezialität, mit Milch, aber nicht zu viel!
KipfalKipferltraditionelles gebogenes wiener Backwerk, aus verschiedenen Teigen, gefüllt oder nicht
SchlogowasSchlagobersAustriazismus, Schlagsahne
pfiad di, pfiad eich, pfiad ihnagehabe dich wohl, Abschiedsgruß
boidbaldbald
ausgefuxtausgefuchstschlau, kompliziert, schwierig

Hinweis

Ich möchte darauf hinweisen, dass es sich bei obenstehenden Ausdrücken und Formulierungen um Interpretationsversuche handelt und weder Anspruch auf Vollständigkeit, noch auf Wissenschaftlichkeit besteht.

Ich möchte unterstreichen, dass es keine einheitliche Notation für Dialektausdrücke gibt und dass die Schreibweise oft regionale Unterschiede aufweist. Ich weise ebenfalls ausdrücklich drauf hin, dass der Artikel mit einem gewissen Augenzwinkern zu betrachten ist.

Sollten Sie Fragen, Anregungen oder Bemerkungen haben, freue ich mich über Ihre Kontaktaufnahme!

Sie dürfen auch gerne mit mir über Bedeutungsnuancen diskutieren. 😉


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